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24. Januar 2014 | Irene Hofer

Sotchi 2014 und ein Blick auf die Umwelt

Nicht einmal mehr einen Monat trennt uns von den Olympischen Spielen im russischen Sotschi. Doch sämtliche Infrastruktur für die 17 Tage dauernden Spiele mussten aus dem Boden gestampft werden. Die unmittelbaren Folgen sind explodierende Immobilienpreise, massive Einschnitte in die Natur, Ausbeutung von Bauarbeitern, Zwangsumsiedelungen und riesige Grossbaustellen.

Das Gebiet um Sotschi vorher und nachher. (Bild: telegraph.co.uk)

Das Gebiet um Sotschi vorher und nachher. (Bild: telegraph.co.uk)  

Für die Spiele entstanden zwei sogenannte „Cluster“, in welchen die Wettbewerbe ausgetragen werden: ein Gebirgscluster und ein Küstencluster, welche rund 40 Kilometer voneinander entfernt liegen. Damit die Zuschauer bequem vom einen Austragungsort zum anderen reisen können, wurde eine neue Autobahn- und Zugsstrecke zwischen den Orten gebaut, welche durch sechs Tunnels und über gigantische Betonstützen über den Fluss Msymta führt. Dadurch ist das Ökosystem des Flusses zusammengebrochen. Die bei Tunnelarbeiten verwendeten chemischen Stoffe wurden weitestgehend in den Fluss geleitet, welcher eine der wichtigsten Trinkwasserressourcen der gesamten Region ist. Auf Lachse, die früher zum Laichen hierher gekommen sind, trifft man nun nicht mehr. Zwar wollen die am Bauprojekt beteiligten Parteien nach massiven Protesten das Ökosystem des Flusses Msymta wiederherstellen, doch inwiefern dies gelingen wird, ist unklar.

 

Im hinteren Teil des Tales – im Gebirgscluster – liegt Krasnaja Poljana. Vor der Vergabe der Spiele an Sotschi befand sich dort lediglich ein Skilift ohne Piste. Die Region befindet sich im Biosphärenreservat Kaukasus, welches zum Unesco-Weltnaturerbe gehört. Doch nach Angaben der ökologischen Wacht Nordkaukasus wurden 20'000 Hektar Wald abgeholzt, Quellenlandschaften zerstört und Tierpopulationen vertrieben. Die österreichische Seilbahnfirma Doppelmayr baute sage und schreibe 40 Seilbahnen und vier Skigebiete. Da die Bautätigkeiten den Naturschutzzielen widersprechen hat man entschieden, diese Gebiete als unwichtig für den Naturschutz zu erklären und sie aus der Kernzone des Nationalparks zu entnehmen. Stark einbezogen in den Bau war auch der staatliche Gaskonzern Gazprom (auch Sponsor der Champions League) und errichtete Residenzen, Hotels und Ferienhäuser, Seilbahnen und Skipisten sowie ein eigenes Gasturbinenkraftwerk.

 

Rund 200 Menschen leben im Dorf Akhshtyr, etwa zehn Kilometer vom sogenannten Küstencluster entfernt. In unmittelbarer Nähe befindet sich ein Steinbruch, dessen Material dringend für die olympischen Sportanlagen benötigt wird. Um dieses abbauen zu können, wurden in dem eigentlichen Naturschutzgebiet massiv Bäume gerodet. Mittlerweile fahren täglich etwa 250 LKW’s durch das Dorf.  Ausserdem verschob sich durch die Erschliessung des Steinbruchs der Grundwasserspiegel. Die Brunnen in Akhshtyr sind versiegt und dadurch fehlt dem Dorf die Wasserversorgung.

 

Im Küstencluster entstanden insgesamt sechs Stadien, welche kreisförmig angeordnet sind. Die Stadien wurden direkt am Meer in der Imeritinskaja Bucht, in einem Sumpf- und ehemaligen Vogelschutzgebiet errichtet. Das Gebiet war ein wichtiger Brutplatz für seltene und bedrohte Zugvögel sowie ein Biotop für seltene  Amphibien. Gemäss WWF Russland sind die Schäden der Natur noch grösser als erwartet.

Die Lage der unterschiedlichen Cluster und des Ortes Akhshtyr (Karte: Google Maps)

Die Lage der unterschiedlichen Cluster und des Ortes Akhshtyr (Karte: Google Maps)  

In Zukunft wird man sich überlegen müssen, ob man für eine Sportveranstaltung einen so hohen Preis zahlen will und riesige Bauten aus dem Boden stampfen will, oder ob stattdessen mehrere Veranstaltungsorte bestimmt werden sollten, welche bereits über gewisse Infrastrukturen verfügen – ähnlich wie bei der Fussball EM 2020. Dadurch könnten die Sportstätten nachhaltig genutzt werden, das Risiko eines Zerfalls würde sich vermindern und die Auswirkungen auf Natur und Umwelt könnten tief gehalten werden. Alternativ wären auch Spiele wünschenswert, die sich vom Gigantismus wegbewegen und den ursprünglichen olympischen Geist aufleben lassen, so wie es der Kanton Graubünden mit seiner Kandidatur für 2022 angestrebt hätte.

 

In welche Richtung es auch immer gehen wird, die olympischen Spiele werden auch in Zukunft Millionen von Menschen vor den Fernseher und in die Stadien locken und die Athleten werden in dieser besonderen Atmosphäre zu Höchstleistungen angespornt.